Zweiter Bericht von Mona aus Guatemala

Juli 2019

Hallo ihr Lieben,

hier ist mal wieder ein Folgebericht über meine Arbeit als internationale Begleiterin. Dieses Mal mit Berichten über Einsätze in zwei Projekten in Quiché sowie Neuigkeiten im Fall in San Marcos. Alles im Kontext des Ausgangs der ersten Wahlrunde und des anstehenden zweiten Wahlgangs im August.

Viel Spaß beim Lesen!


Einsätze in der Region Quiché

In Quiché befindet sich die Region, die vom Militär während des Conflicto Armado Interno als „Triangulo Ixil“ bezeichnet wurde. Quiché ist damit auch die Region, in der die lokale, indigene Bevölkerung am stärksten durch die Massaker betroffen war. Der Fokus der Organisationen und
Fälle, die von ACOGUATE begleitet werden (Resistencia de los Pueblos, AJR, das Red de Mujeres Ixhiles sowie die Asociación de Víctimas de Uspantán) liegt daher hauptsächlich, wenn auch nicht ausschließlich auf dem Bereich der Übergangsjustiz. Obwohl die Maya-Kultur in allen Departamentos,
in denen wir arbeiten stark ist, ist sie hier, v.a. aufgrund der Kleidung der Frauen besonders sichtbar im Alltag. Auch ist die Region berühmt für die Tejidos, die Webwaren. Ausgangspunkt für Einsätze in der Region ist die Hauptstadt des Municipio, Nebaj. Auch weil die Einsätze und Aufenthalte in der Region in der Vergangenheit wesentlich länger waren unterhält ACOGUATE hier ein Büro, das man sich mit CALDH und ODHAG teilt. Bei meinem Einsatz in Quiché begleiteten wir ein Treffen der Delegierten der Organisation Resistencia de los Pueblos und nahmen an einem Treffen des Red de Mujeres Ixhiles teil. Von der Hauptstadt aus gelangt man mit Chicken Busses zunächst nach Quiché und von dort aus nach Nebaj. Chicken Busses heißen die Blue Bird Busse (die ehemaligen US-amerikanischen Schulbusse), weil man alles, eben auch Hühner in diesen transportiert. Meistens sind die Hühner gut verpackt, in Plastikkäfigen oder werden vom jeweiligen Besitzer mit zusammengebunden Flügeln auf
dem Schoß transportiert. Bei unserer Rückfahrt ist allerdings eins ausgebrochen und lief dann durch den Bus. Die meisten Straßen in Guatemala sind relativ kurvenreich, die Fahrten nach Quiché bzw. Nebaj
gelten unter uns aber als diejenigen, die mit einer Achterbahnfahrt vergleichbar sind. Mit dem Unterschied, dass sie mehrere Stunden dauern. Wenn man sich nicht festhält, rutscht man in den Kurven aus den Sitzen und auch mit Festhalten ist man davor nicht grundsätzlich sicher. Im besten Fall (und das ist meistens der Fall) sind die Busse jedoch so voll, dass man einigermaßen festgeklemmt ist und nicht wirklich weit rutschen kann. Und wenn das Gepäck in den Ablagen festgebunden ist, fällt einem da auch nichts auf den Kopf.

Nach ca. 3 Stunden erreichten wir so zunächst Quiché und nahmen im Anschluss daran den Bus nach Nebaj, das wir nach weiteren ca. 3 Stunden erreichten.
Mein Einsatz begann am darauffolgenden Tag, einem Freitag, mit der Teilnahme am Treffen der Delegierten von Resistencia de los Pueblos.

Resistencia de los Pueblos

Hintergründe

Gegründet wurde die Initiative als Projekt zur Wiederherstellung eines historischen Gedächtnisses im Norden des Departamentos El Quiché. Heute ist das Projekt, unter dem Namen Resistencia de los Pueblos, ein Hauptmotor der sozialen Organisation in dieser Region.
Der Fokus der Arbeit des Projektes liegt darauf, aufzudecken und zu verstehen, wie die Gewaltverbrechen und Menschenrechtsverletzungen gegen die (indigene) Bevölkerung in der Region Ixil und den angrenzenden Regionen im Norden Quichés während des Conflicto Armado Interno (der guatemaltekische Bürgerkrieg) den Weg für Initiativen zur Durchsetzung von Mega-Projekten geebnet hat. Das Projekt ist daher ein gutes Beispiel dafür, dass die beiden Bereiche – Justicia Transitional (Übergangsjustiz, Kampf gegen die Straffreiheit der Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Bürgerkriegs) und der Bereich der Defensa Tierra y Territorio in Guatemala nicht voneinander zu trennen sind.
Das Projekt leistete einen entscheidenden Beitrag dazu, die verschiedenen Microregionen der Municipios Nebaj, Chajul, Cotzal, Cunén und Sacapulas in Bezug auf diese Themen zu vereinen und im Norden Quichés so eine Reihe von Wasserkraft- und Bergbau-Mega-Projekten aufzudecken, die ohne vorherige, freie und informierte Umfragen und Zustimmung der lokalen Bevölkerung durchgeführt werden sollten. Auf dieser Basis formulierten sie einige Eingaben und forderten darin auch die Rücknahme der Baugenehmigungen sowie die Änderung verschiedener Gesetze, u.a. des Ley de Minería.
Die Autoridades Comunitarias (von der jeweiligen Gemeinde gewählte Autoritäten) taten sich als Delegierte der oben genannten Microregionen zusammen und präsentierten am 5 Mai 2010 im Congreso de la República, wo Héctor Nuila, Diputado der URNG-Maíz die Minister für Umwelt und für Energie und Bergbau einberufen hatte. Im Anschluss an dieses Ereignis beschlossen die Delegierten sich von nun an monatlich in Nebaj zu treffen, um Informationen auszutauschen und Entscheidungen zu treffen.
In Bezug auf die Verfolgung und Bekanntmachung von Informationen, die die Mega-Projekt-Initiativen der Regierung oder transnationaler Unternehmen in der Region und in Guatemala, betreffen spielt das Projekt eine zentrale Rolle. Ein Hilfsmittel bei dieser informierenden und bildenden Aufgabe stellt die Carpeta Informativa dar, die die Repräsentanten für jedes Treffen mit Zeitungsausschnitten und Artikeln über die wichtigen Ereignisse zusammenstellen.
Das Projekt zeichnet sich durch fehlende Hierarchie aus und auch die Zugehörigkeit ist informell. Neben Delegierten aus Gemeinden der Municipios Nebaj, Chajul, Cunén und Sacapulas nehmen auch Gemeindeautoritäten aus Petén und der Costa Sur an den Treffen teil, die diejenigen Ixiles repräsentieren, die während des Conflicto Armado Interno vertrieben wurden.

Prozesse gegen TRECSA

Zu den wichtigsten Prozessen, die von den Gemeinden mit Unterstützung des Projektes angestrengt wurden zählen die juristischen Schritte gegen TRECSA. Im Jahr 2013 verabschiedete die Regierung Otto Pérez Molina den Acuerdo Gubernativo 145-2013. Dieser erklärte Installationen, die für die Produktion und den Transport von Elektrizität genutzt werden zu „proyectos de prioridad y seguridad nacional“ (Projekte von nationaler Priorität und von Bedeutung für die nationale Sicherheit). Der Acuerdo Gubernativo diente TRECSA als Hauptargument um den Transport und die Energieproduktion in ihren 33 Wasserkraftwerken im ganzen Land durchzusetzen. Denn durch diesen Acuerdo verstößt jede/r der sich den Wasserkraftwerken entgegenstellt, gegen das Gesetz. Somit wird die lokale Bevölkerung daran gehindert, die Projekte des kolumbianischen Unternehmens zu verhindern. Im Jahr 2014 reichte ein Mitglied der Asamblea eine Verfassungsbeschwerde gegen den Acuerdo Gubernativo 145-2013 vor dem Corte de la Constitucionalidad ein. Diese wurde 2 Jahre später abgelehnt. Im Anschluss daran reichte Pedro Sicac’cha aus der Gemeinde Cunén vor dem Corte de la Constitucionalidad juristische Schritte gegen den Acuerdo Gubernativo 145-2013, aufgrund der zahlreichen Fälle, in denen TRECSA diesen abusiv ausgenutzt hatte. Ziel war es, ein rechtwidriges Verhalten von TRECSA aufzuzeigen. Der Corte de la Constitucionalidad verweigerte diese rechtlichen Schritte jedoch, woraufhin die Initiative Resistencia de los Pueblos am 28 August 2018 eine Demonstration vor dem Gerichtshof plante.
Mit der Aufhebung des Acuerdo Gubernativo 145-2013 und der offiziellen Bekanntmachung dieser Aufhebung im März 2019 wurde der Weg frei für Klagen gegen TRECSA. Im Juli 2019 fand der erste Prozess gegen TRECSA statt, der auf einer Klage einer Gemeinde auf der Basis des aufgehobenen Acuerdos basierte.

Die Begleitung und der aktuelle Begleiteinsatz

ACOGUATE begleitet das Projekt seit dem 5 Mai 2010, allerdings nur bei punktuellen Anfragen. Ein Vertrag für eine Begleitung über dieses Acompañamiento Puntual hinaus besteht nicht und wird wahrscheinlich auch nicht abgeschlossen werden. Wichtig ist, dass das Projekt nicht gleichzusetzen ist mit den Prozessen oder „Luchas“, die von den Gemeinden angestrengt werden, die es unterstützt. Trotzdem bedeutet eine Begleitung des Projektes indirekt auch eine Begleitung der Gemeinden bei der Durchsetzung ihrer Rechte.
ACOGUATE begleitet die 2-monatlichen Treffen der Delegierten, Asambleas sowie – auf Anfrage – Gerichtsprozesse, die vom Projekt unterstützt werden.
Bei unserem Einsatz Ende Mai handelte es sich um so eine Begleitung eines Delegiertentreffens. Die Bedeutung des Themas der Justicia Transitional und des historischen Gedächtnisses wurde u.a. dadurch deutlich, dass zu Beginn des Treffens sowohl der Tag im Maya-Kalender erklärt wurde, als auch den Märtyrern des Conflicto Armado Interno gedacht wurde.
Ein wichtiges Thema des Treffens war – angesichts der bevorstehenden Wahlen – die Frage, was für eine Art Bürgermeister sich die Delegierten wünschten. Hier ging es explizit nicht um Parteizugehörigkeit, sondern vielmehr um das Persönlichkeitsprofil der Kandidaten. Diese Frage beantworten die Delegierten in Gruppenarbeit, mit dem eher ernüchternden Ergebnis, dass die aktuellen Kandidaten im Grunde alle nicht den Anforderungen an einen guten Kandidaten entsprechen.
Ein weiteres Thema, das während des Treffens intensiv behandelt wurde war der Klimawandel. Ebenfalls in Gruppenarbeit erstellten die Delegierten ein historisches Gedächtnis des Klimawandels in ihrer Region und beschlossen Maßnahmen, wie man das Problem der Umweltverschmutzung und des Klimawandels durch kleine Schritte in ihren Gemeinden angehen könnte. Denn, um dem Problem des Klimawandels begegnen zu können müsste man jetzt handeln, war man sich einig. Zur Inspiration hatte einer der Delegierten Videos der schwedischen Aktivistin Greta Thunberg mitgebracht.
Ein weiteres wichtiges Thema, das vom Delegierten aus Chajul vorgebracht wurde war der Verkauf von Nutzungsrechten von 8 Quellen an eine weitere Gemeinde sowie die Frage nach dem Permiso de Paso (Durchgangsrecht). Eine Angst bestand darin, dass diese Nutzungsrechte letztendlich an ein internationales Energieunternehmen weiterverkauft werden könnten. Hier war man sich einig, die Frage zunächst mit der betroffenen Gemeinde zu klären und klarzustellen, dass ein Weiterverkauf der Nutzungsrechte zum Widerruf des Kaufvertrages führen würde.
Auf der Basis der für das Treffen zusammengestellten Carpeta Informativa (Infomappe) informierten die Delegierten zudem über die Bekanntmachung der Aufhebung des Acuerdo Gubernativo 145-2013.
Vom Projekt war diese Bekanntmachung lange erwartet worden und wie die anstehende Gerichtsverhandlung der Klage gegen TRECSA auf Basis des jetzt aufgehobenen Acuerdo Gubernativo wurde sie als kleiner Fortschritt angesehen.
Die Versammlung endete mit der Übereinkunft, zum nächsten Treffen einen Fortschrittsbericht über die Erfolge bei der Umsetzung von Maßnahmen gegen den Klimawandel in den entsprechenden Gemeinden vorzulegen sowie der Planung weiterer Treffen und der Begleitung der Gerichtsverhandlung im Juli.
Nach einem Día de Descanso in Nebaj (den wir für eine Wanderung nach Acul nutzen) begleiteten wir am Montag ein Treffen des Red de las Mujeres Ixiles.

Das Red de Mujeres Ixhiles

Der Fokus der Arbeit des Red de Mujeres Ixhiles (Netzwerk der Ixil-Frauen) liegt auf der Entwicklung und Unterstützung von Vorschlägen und Aktivitäten mit dem Ziel die vollständige und aktive Beteiligung von Frauen an der Gesellschaft, ihre Integration in der Politik auf municipaler und departamentaler Ebene sowie ihre ganzheitliche Entwicklung zu fördern. Da geschlechtsspezifische Gewalt einer der Hauptgründe ist, der die Teilhabe von Frauen an den Entscheidungsprozessen beschränkt und ihre Entwicklung behindert, liegt ein Schwerpunkt der Arbeit des Netzwerkes auf der Unterstützung von Frauen, die Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt wurden, von Überlebenden geschlechtsspezifischer Gewalt sowie von Frauen, die gegen die Straflosigkeit von Fällen geschlechtsspezifischer Gewalt kämpfen.
Darüber hinaus engagiert sich das Netzwerk im Bereich der Verteidigung von Menschenrechten, die die Region Ixil betreffen, sowohl im Bereich Justicia Transicional wie auch dem Bereich Tierra y Territorio.
Das Netzwerk setzt sich aus 9 Assoziationen zusammen, denen insgesamt 354 Frauen angehören. Drei dieser Assoziationen befinden sich in Nebaj, 6 in den Gemeinden. Der Junta gehören 9 Frauen an, eine jeder Assoziation. Die Junta trifft die Entscheidungen über die Aktivitäten der Assoziationen im Konsensverfahren.
Die Unterstützung des Netzwerkes besteht darin, Frauen, die Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt geworden sind legale und psychosoziale Orientierung, Begleitung und Beratung zu geben. Entscheidend ist die Rolle des Netzwerkes darüber hinaus in Bezug auf die Sensibilisierung in Hinblick auf Menschen- und Frauenrechte und die Unterrichtung von Frauen und Jugendlichen über ihre Rechte.
Zudem unterhält das Netzwerk ein Programm zur ökonomischen Bemächtigung der Frauen und organisiert z.B. Fort- und Ausbildungskurse im Bereich Schnitt und Konfektion von Webwaren, Ökotourismus und Catering und stellt über eine Kooperative Micro-Kredite zur Verfügung.
Außerdem organisiert das Netzwerk Aktivitäten in den Bereichen Verteidigung von Landnutzungsrechten sowie Justicia Transicional. Die Frauen des Netzwerkes beziehen direkt und öffentlich Stellung gegen die Menschenrechtsverletzungen gegen Frauen und Mädchen in der Region Nebaj und unterstützen Initiativen, die diese Verteidigung dieser Rechte zum Ziel haben, wie auch das Reglamento de Cantinas (eine Initiative, die die Ausbreitung von Cantinas sowie die Verletzungen
von Menschenrechten gegenüber Frauen sowie die Prostitution in diesen Cantinas in Nebaj einschränken will).
In ihrem Radioprogramm “Pelando Papas” (im Radio La Voz de Nebaj) informieren sie mindestens einmal wöchentlich kritisch über die Situation von Menschenrechtsverteidiger/Innen in Guatemala.
Aufgrund ihrer Arbeit sind das Netzwerk sowie zahlreiche Mitglieder des Netzwerks Ziel von Anfeindungen, Diffamierungskampagnen, Angriffen und (Mord-) Drohungen. Wie ernst diese Drohungen sind zeigt die Ermordung eines Mitgliedes des Netzwerks im September 2018.
Aktuell unterstützt das Netzwerk den Prozess um die Ermordung dieses Mitgliedes, sowie 2 weitere Gerichtsprozesse um die Morde an Menschenrechtsverteidigerinnen als Kläger oder indem es die klagenden Familienangehörigen der Ermordeten begleitet.
Vor dem Hintergrund, dass sich in Guatemala innerhalb der letzten Jahre durchschnittlich 2 Frauenmorde pro Tag ereigneten, wobei 98% der Fälle von Gewaltverbrechen gegen Frauen straffrei bleiben und als Beziehungstaten gewertet werden, ist es besonders wichtig, dass man in diesem Zusammenhang die Arbeit der Ermordeten als Menschenrechtsverteidigerin sichtbar macht. So verhindert man, dass der Mord als einfache Beziehungstat abgetan wird.
ACOGUATE hat seit Anfang des Jahres 2019 einen Vertrag über internationale Begleitung mit dem Netzwerk abgeschlossen. Seither finden regelmäßig, in kurzen Abständen Besuche des Netzwerkes statt. Die Mitglieder des Netzwerks erhoffen sich von der internationalen Begleitung insbesondere Sicherheit durch die internationale Aufmerksamkeit. Ein wichtiger Teil der Arbeit von ACOGUATE besteht daher auch in der politischen Begleitung, u.a. der Unterstützung beim Kontakt mit Angehörigen internationaler Botschaften.
Die Modalitäten der Begleitung weiter zu konkretisieren ist eines der kurzfristigen Ziele. Zudem wollten wir mit den Mitgliedern des Netzwerkes über die Aufzeichnung und Analyse der Incidentes de Seguridad (sicherheitsrelevante Vorfälle) sprechen. Bei unserem diesmaligen Besuch des Netzwerkes hatte die Hauptansprechpartnerin allerdings andere Pläne. Sie nutzte das Treffen zur Planung einer Gedenkveranstaltung zum 1. Todestag des ermordeten Mitgliedes. Anstelle von einer Aufzeichnung und dem Besprechen sicherheitsrelevanter Vorfälle nahmen wir also daran Teil, wie die Sprecherliste für die Gedenkveranstaltung geplant wurde und mussten unsererseits immer wieder betonen, dass wir nicht aktiv als Sprecher an der Gedenkveranstaltung teilnehmen können, sondern höchstens bei der Einladung der Vertreter/Innen der Botschaften und der internationalen Menschenrechtsorganisationen unterstützen könnten. Auch wenn dieses Treffen also nicht wie geplant verlief, war es immerhin möglich für das nächste Treffen ein Besprechen der sicherheitsrelevanten Vorfälle zu vereinbaren.
Nach den Wahlen, die in der Region mit dem Sieg eines Bürgermeisters endeten, für den das Netzwerk ein Dorn im Auge ist, hat sich die Situation dort noch einmal verschärft. Vor diesem Hintergrund und da ein Mordprozess, den sie begleiten im August beginnt, verstärken die Mitglieder aber auch ihre Aktivitäten und ACOGUATE seine Anstrengungen im Bereich Acompañamiento Político mit Besuchen bei verschiedenen Botschaften.

Die Wahlen

Auch wenn die Wahlen nicht das ganze Land in Chaos gestürzt haben, kam es doch in einigen der Regionen, in denen wir arbeiten zu Gewaltausbrüchen und zu Unregelmäßigkeiten. In Quiché wurden z.B. nach der Wahl mehrere Wahlurnen auf dem Dach der lokalen Wahlbehörde gefunden. In Huehuetenango wurde der Leiter der Junta Electoral Municipal zusammengeschlagen und die gesamte Junta festgehalten. In anderen Regionen wurden Wähler z.T. aus anderen Regionen per Bus angekarrt. In einer Kleinstadt wurde die Wahl vertagt, nachdem die Wahlleiter Morddrohungen erhalten hatten.
Von mehreren Seiten, u.a. auch seitens der Partei MLP werden die Ergebnisse nicht anerkannt.
Aufgrund der Unregelmäßigkeiten kündigte das TSE für den Montag eine Woche nach der Wahl eine neue Auszählung an. Am Ergebnis änderte diese Neuauszählung allerdings nichts. Das Ergebnis der Präsidentschaftswahl bleibt nichtsdestotrotz das einer Stichwahl am 11. August. In dieser Stichwahl werden Sandra Torres (UNE, Sieger im ersten Wahlgang) und Alejandro Giammattei (VAMOS, Zweiter im ersten Wahlgang) gegeneinander antreten. Sowohl die Partei UNE, als auch die Partei VAMOS sind Teil des Pacto de Coruptos und beide treiben die Kriminalisierung voran.
Sandra Torres ist ehemalige First Lady und Ex-Frau des ehemaligen Präsidenten Alvaro Colom, der heute wegen Korruption angeklagt ist. Sie versucht bereits zum wiederholten Mal, an die Macht zu kommen. Und aufgrund dieses „Machthungers“ der Familie Colom-Torres (viele gehen hier davon aus, dass sie sich nur hat scheiden lassen, um zur Wahl zugelassen zu werden.) hat man hier Bedenken und fürchtet eine ähnliche Entwicklung wie in Nicaragua unter Ortega-Murillo.
Der Kandidat mit den zweitmeisten Stimmen war für mehrere Monate im Gefängnis, aufgrund eines gewalttätigen Einsatzes während seiner Zeit als Chef der Gefängnisverwaltung. Allerdings wurde er letztendlich freigesprochen. Zu seinem Team zählen ca. 40 Militärs und Ex-Militärs und es ist sehr wahrscheinlich, dass diese einige der Ministerposten übernehmen werden, sollte er an die Macht kommen.
Die beiden wenig schmeichelhaften Spitznamen, die die beiden Kandidaten u.a. in den Gemeinden, in denen wir arbeiten haben – „Sangra Torres“ und „Ya maté“ macht deutlich, dass von beiden Kandidaten keine Verbesserung für Guatemala zu erwarten ist.
Im Kongress verfügt die Partei UNE nach ersten Hochrechnungen über 50 Sitze der insgesamt 165 Sitze, VAMOS über 18. Mit den Parteien Humanista, PAN und Podemos sowie der FCN-Nación, Unionista und UCN dominieren im Kongress weiterhin Parteien aus dem konservativen, rechten bzw. ultrarechten Spektrum. Auch im Kongress ist kein Wandel zu erwarten. Nur die Parteien URNG-Maíz mit 3 Sitzen, WINAQ mit 4 Sitzen und die MLP mit einem Sitz kann man als Unterstützer im Kampf um Landnutzungsrechte ansehen.
In den nächsten Wochen wird in Bezug auf die Präsidentschaftswahl die Frage sein, auf wessen Seite sich die anderen Parteien schlagen. Die Verhandlungen haben schon begonnen und auch auf der Straße geht der Wahlkampf von VAMOS und UNE weiter.

Die Situation nach der Wahl in San Marcos

In der Gemeinde, in der wir in San Marcos arbeiten hat das staatliche Energieunternehmen durch die Stromabschaltungen im Vorfeld der Wahlen die Wahlen zu seinen Gunsten beeinflusst. Die Schuldzuweisung gegen die linksgerichteten Parteien hatte zur Folge, dass der Kandidat einer extrem-rechtskonservativen Partei (UCN) die meisten Stimmen bei der Bürgermeisterwahl auf sich vereinen konnte. Die linksgerichtete Partei (URNG-Maíz), die bisher den Bürgermeister stellt erreichte nur den 6. Platz, was auch mit den Kontroversen um die Person des jetzigen Bürgermeisters zusammenhängt und der Enttäuschung der Mitglieder der Resistencia über sein Verhalten und seine fehlende Unterstützung der Resistencia (immerhin als ehemaliges Mitglied der Resistencia) seit er an der Macht ist. Andere linksgerichtete Parteien, die die Resistencia in ihrem Kampf gegen den staatlichen Energieversorger und das Wasserkraftwerk unterstützen erreichten allerdings ebenfalls nur wenige Stimmen. Insbesondere die MLP war im Zusammenhang der Stromabschaltungen auch Ziel der Attacken des Energieunternehmens.
Die Mitglieder des Widerstandes in der Gemeinde sind jetzt gespalten zwischen erst einmal miteinander reden, weil man sich ja kennt und der jetzige Kandidat ebenfalls eine Vergangenheit im Widerstand hat und Weltuntergangsstimmung, weil man davon ausgeht, dass dieser Kandidat dem Unternehmen jetzt die Erlaubnis für den Bau des Wasserkraftwerks erteilen wird.
Währenddessen geht der Konflikt mit dem Energieunternehmen weiter.
Wir haben nach der Wahl unseren aufgeschobenen Routinebesuch in der Gemeinde nachgeholt und dabei auch einen ersten Schritt in die Richtung gemacht, die Art, wie wir die Gemeinden begleiten anzupassen. In der abgelegensten Gemeinde haben wir nun, neben dem Kontakt zu den Alcaldes Auxiliares auch offiziell Kontakt zu den Personen, gegen die aufgrund der Widerstandsereignisse Haftbefehle vorliegen. Ziel ist, zu diesen und ihren Familien ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, für den Fall, dass ACOGUATE die anstehenden Gerichtsprozesse begleiten soll. Seitens dieser Personen und ihrer Familien herrscht eine große Offenheit gegenüber dem Begleitangebot vor sowie eine Dankbarkeit gegenüber allen Organisationen, die hier auf rechtlicher, moralischer und sozioökonomischer Ebene unterstützen.

Juristische Entwicklungen im Fall San Pablo

Auf juristischer Ebene hat sich inzwischen etwas getan. Die Vista Pública für die Verfassungsbeschwerde gegen die Lizenzvergabe an das Unternehmen, durch die der Bau des Wasserkraftwerks vorläufig gestoppt wurde war für Montag den 8 Juli angesetzt. Der Begleiteinsatz zur Gerichtsverhandlung sollte mein bis dato kürzester werden: Als wir bereits im Taxi auf dem Weg waren bekam ich einen Anruf von Fausto, der mir mitteilte, dass die Verhandlung für heute abgesagt worden war. In Absprache mit Fausto kehrten wir daher direkt um. Dass Verhandlungen in letzter Minute abgesagt werden, kommt häufig vor, so gesehen kam es für uns nicht ganz unerwartet. Trotzdem waren wir etwas enttäuscht. Zumal es der erste Einsatz mit meiner neuen Einsatzpartnerin war und eine wunderbare Gelegenheit für sie gewesen wäre, eine ganze Reihe wichtiger Personen kennen zu lernen, vor unserem ersten gemeinsamen Einsatz im Territorium. Die nächste Verhandlung ist für den 19. August angesetzt. Und alle beteiligten hoffen, dass die Vista Pública nicht erneut abgesagt und verschoben wird. Denn auch die Magistrados bei Gericht werden nach den Wahlen neu besetzt.
Teil der Umstrukturierung der Begleitung in diesem Fall wird auch das verstärkte Engagement im Bereich Acompañamiento Político. Anlass hierfür war vor allem die Entscheidung des Kassationsgerichtshofes im Fall von Lorenzo Ramirez Rodriguez.
Der Fall steht im Zusammenhang mit dem Widerstand der Gemeinden in San Pablo gegen das Unternehmen HidroSalá. Die Gemeinde Las Brisas ist geografisch geteilt, mitten in der Gemeinde hat das Unternehmen ein Gelände gekauft. Seither sind die Gemeindemitglieder Provokationen seitens des Unternehmens und des Sicherheitsdienstes ausgesetzt. Der Weg zum Gelände führt an der lokalen Grundschule vorbei und nach ersten gewalttätigen Zusammenstößen zwischen dem Unternehmen, in Begleitung der PNC und der lokalen Bevölkerung hatten und haben besonders die Kinder Angst, wenn das Sicherheitspersonal oder andere ihnen unbekannte Personen die Straße passieren. Durch den Baumbestand ist das Gelände schlecht einsehbar und wurde zu einem Gebiet, von dem aus es zu Angriffen und Überfällen auf die lokale Bevölkerung kam. Nachdem Schülerinnen auf ihrem Nachhauseweg dort angegriffen wurden, bat die Gemeinde das Unternehmen, die Bäume in Straßennähe zu fällen. Als seitens des Unternehmens keine Reaktion erfolgte, übernahmen die Gemeindemitglieder selbst das Fällen der Bäume. Als daraufhin Personal des Unternehmens, in diesem Fall 2 Ingenieure zum Gelände kamen, verweigerte die Gemeinde diesen die Zufahrt. Sie stoppten das Auto und strebten eine Unterhaltung mit den Ingenieuren an. Ziel war es, die Ingenieure davon zu überzeugen aus Rücksicht auf die Kinder nicht mehr zum Gelände zu kommen. Im Rahmen dieser Unterhaltung wurde, gemäß der lokalen Vorschriften ein Dokument erstellt, in dem sich die Ingenieure verpflichteten, das Gelände nicht mehr zu betreten.
Lorenzo Ramirez Rodriguez, aktuell 77 Jahre alt, war zum Zeitpunkt der Ereignisse 1. Alcalde Auxiliar, weshalb er, von den anderen Alcaldes Auxiliares und den Gemeindemitgliedern, die das Auto der Ingenieure bei der Einfahrt in die Gemeinde gestoppt hatten zur Vermittlung gerufen wurde.
Im Januar 2015 wurde er wegen dieses Falles verhaftet. Die Anklage lautete zunächst “Plagio y/o secuestro y asociación ilícita” (dt. Geiselnahme/ Entführung und illegale Vereinigung), im März 2016 wurde der Vorwurf jedoch in „Detención ilegal con circunstancias agravantes y coacción“ (dt. unrechtmäßige Festnahme unter erschwerten Bedingungen und Nötigung) umgewandelt. Die Haftstrafe wurde auf 5 Jahre und 4 Monate festgesetzt. 2017 wurde die Haftstrafe, unter Berücksichtigung seines Alters und seiner körperlichen Beschwerden (er ist aufgrund einer Katarakterkrankung auf einem Auge blind und sieht auf dem anderen nur eingeschränkt) und reduziert, auf 2 Jahre und 3 Monate. Und er wurde im Februar 2017 unter Auflagen aus der Haft entlassen. Dieses Urteil wurde jedoch seitens des Ministerio Público und der Ingenieure angefochten. Gegenstand war die Umwandlung des Deliktes. Das Kassationsgericht entschied nun, das Delikt wieder in Geiselnahme umzuwandeln und verurteilte Lorenzo Ramirez Rodriguez zu 21 Jahren Haft und einer Geldstrafe von 50.000 Quetzales. Gegen dieses Urteil haben seine Anwälte nun eine Verfassungsbeschwerde eingereicht. Der Ausgang ist allerdings ungewiss.
Das Urteil ist in mehrerer Hinsicht beunruhigend: Zwar hat Lorenzo Ramirez Rodriguez während seiner Zeit in Haft seine Zuversicht behalten, – er war u.a. Ansprechpartner für andere Mithäftlinge und trainierte das Fußballteam des Gefängnisses, – aufgrund seines Gesundheitszustandes und seines Alters wäre eine erneute Haftstrafe für ihn natürlich trotzdem fatal. Für diejenigen, die in diesem Fall noch den Beginn ihrer Prozesse erwarten bedeutet es, dass die Aussicht, ihre Anklagen in das Delikt „Detención ilegal“ umzuwandeln gering ist. Für alle Menschenrechtsverteidiger/Innen, deren Delikte im Verlauf ihrer Verhandlungen umgewandelt wurden besteht durch das Urteil die Gefahr, dass die Urteile vom Kassationsgericht ebenfalls aufgehoben und die Delikte erneut in Geiselnahme geändert werden können. Zudem tragen solche Urteile zur Schwächung der lokalen Strukturen bei, denn aus Angst, später, aufgrund des ausgeübten Amtes einem Prozess und einer langen Haftstrafe gegenüber zu stehen, wollen viele Gemeindemitglieder diese Ämter und die Verantwortung für ihre Gemeinden nicht mehr übernehmen.
Darauf, dass es sich bei dem Urteil auch um eine politische Entscheidung handeln könnte, weist das vergleichsweise schnelle Verfahren hin: Nachdem zwei Jahre lang nichts passiert war, wurde die Kassation im März dieses Jahres zugelassen und nur einen Monat später wurde das Urteil gefällt.
Den Kontakt zu ihm und seiner Familie aufzunehmen, um so ein AcoPol wirklich möglich zu machen wird eine der Herausforderungen für die nächsten Einsätze in San Marcos werden. Inwieweit wir da vorankommen und über meinen nächsten Einsatz in San Marcos werde ich euch in meinem nächsten Bericht erzählen.


Bis dahin liebe Grüße,
Mona